Warum Rosinen in keine Exceltabelle passen

 


In meiner Familie wird über den Job nicht so viel gesprochen. Irgendwie ist das schon so, seit ich denken kann. Ich fand es nie so schlimm, weil ich es auch nicht gerne getan habe. Ich hatte lange keine Ahnung was meine Eltern eigentlich auf der Arbeit tun. Eigentlich eher bei meinem Vater; meine Mutter habe ich oft auf ihrer Arbeit besucht und fand das ziemlich spannend. Ich glaube manches hat ihr dennoch keinen Spaß gemacht, und auch wenn es professionell aussieht, und du dich in Tätigkeiten auf die du keine Lust hast dennoch gut hineinarbeiten kannst, zufrieden macht das auf Dauer nicht. In anderen Familien wird das Berufsleben groß und breit thematisiert, Karrieresprünge werden zelebriert und Gehaltserhöhungen besonders hervorgehoben. Ich bin nicht sicher was von beidem mir besser gefällt. 

Lange, wirklich sehr lange habe ich nicht gerne über meine Arbeit gesprochen. Wann immer man auf neue Menschen traf, kam irgendwann die Frage "Und was machst du so?" Für mich war das ein Beschränken auf die Tätigkeit mit der man sein Geld verdient. Als ich in Elternzeit war, habe ich mich lange noch viel mehr "beschränkt" gefühlt, weil ich ja nicht mal Geld für meine Tätigkeit bekommen habe. Mir hat es gefehlt über mich als Mensch und über mein Leben zu sprechen. Über Dinge, die man gelernt hat, Erfahrungen, Reisen. Aber wie schnell kommt man schon mit fremden Menschen in tiefgründige Gespräche? Zu erklären was ich beruflich tue und wie ich eigentlich dahin gekommen bin, hat mich jedes einzelne Mal frustriert, weil es den, in meinen Augen, gescheiterten Weg einfach jedes Mal erneut sichtbar gemacht hat. Es war mir unangenehm, lästig und außerdem habe ich mich einfach geärgert nichts anderes erzählen zu können. Ich wollte auch berichten wie ich verantwortungsvolle Aufgaben meistere, Menschen glücklich mache, Menschen helfe und wirklich sinnvolle Aufgaben tue und damit auch noch Geld verdiene. Dann kam die Elternzeit. Vor Berichten über meine Arbeit war ich erstmal verschont. Doch zum einen habe ich meine Aufgabe und meine ARBEIT als Mutter nicht als wertvoll empfunden (sie wurde ja nicht die ganze Zeit über vergütet), und zum anderen habe ich nicht die große Erfüllung gegfunden, die ich erhofft habe. Das liegt nicht daran, dass ich nicht gerne Mutter bin. Ich liebe meine beiden Äffchen über alles und Muttersein ist eines der großen Ziele, die ich immer hatte. Nein, ich war in Gedanken schon so in dem "was kommt als nächstes" gefangen, dass ich meine Elternzeit nicht so genossen habe, wie sie es wert gewesen wäre.

Die Ärzte würden jetzt singen "...und dann kam die Wende.." aber "hiphip hurra" es ist nicht immer alles super und wunderbar. Aber die Wende hat mich auf den besten Weg dahin gebracht: Ich habe ein Jobcoaching gemacht bei der lieben Ina und wir haben Fertigkeiten, Fähigkeiten, Lebenslauf und Erfolgsgeschichten erarbeitet und viele intensive, manchmal tränenreiche Gespräche geführt. Es war Arbeit; ich will nicht sagen es war einfach, es war ein COACHING. Aber es hat soviel bewegt. Mir war nicht klar, dass man nicht nur einen Job haben kann. Mir war nicht klar, dass ein roter Faden im Lebenslauf oldschool ist, und mir war nicht klar, dass ich mehrere Dinge kombinieren kann und so  Zufriedenheit finde. Und mir war nicht klar, dass alles was ich bisher getan habe, alles wofür ich mich selbst verurteilt habe und fast geschämt, alles dazu begetragen hat, dort zu sein wo ich jetzt bin und all die Dinge zu können die ich nie gesehen habe. Mir war nicht klar, dass der Weg gut so war und ich den Menschen auf diesem Weg dennoch sehr dankbar bin. 

Gestern hatte ich einen Schlüsselmoment! Für die meisten von euch wird es vermutlich merkwürdig klingen, nicht nachvollziehbar sein, und sicher würde ich die Geschichte so niemandem erzählen, den ich gerade kennen lerne. Ich bin noch nicht soweit, dass ich auf die Frage "und was machst du so?" antworte mit "ich massiere Rosinen und es erfüllt mich mit einer absoluten Zufriedenheit die ich im Job so noch nie hatte". Für mich war schon lange klar, dass ich etwas mit meinen Händen tun will. Etwas erschaffen. Ein Ergebnis sehen was man anfassen kann, etwas Reales. Und Exceltabellen, Telefonnotizen, Angebote, Aufträge, Performancelisten, Zielpläne und Provisionen haben das einfach nicht getan! 

Ich arbeite drei Tage die Woche im Loseladen und die anderen beiden Tage arbeite ich von zu Hause aus und schreibe. Oft werde ich noch gefragt was ich denn so schreibe. Nun, momentan schreibe ich an diesem Text hier und für den bekomme ich noch kein Geld. Aber mein Ziel ist es, etwas zu schreiben für das ich Geld bekomme, und ehrlich gesagt ist mir momentan für den Einstieg fast egal was das ist. Ich würde Verpackungsbeilagen für Hustensaft oder Montageanleitungen für Ikea-Regale schreiben. Aber ich weiß, dass mich diese Aufgabe mit Zufriedenheit erfüllen würde, denn ich liebe es Buchstaben zu Wörtern zu machen und aus Wörtern Texte. Etwas zu erschaffen. Menschen bewegen. Und sei es nur jemanden für zehn Minuten zum lächeln zu bringen weil er einen schönen Text wie diesen hier geschenkt bekommt. Ich danke euch für´s Lesen!

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